Die Situation dürfte jeder Hundehalter kennen: Bello jagt im Garten voller Elan seinem Ball hinterher. Doch urplötzlich bleibt der Vierbeiner stehen, tappt unschlüssig im Gras umher und findet sein Spielzeug nicht mehr.
„Nanu, war der Ball nicht gerade eben noch hier?“ scheint sich der Vierbeiner zu fragen. Als Herrchen schließlich einspringt und den Ball aufhebt, ist der Fall klar: Hunde können wohl keine Farben sehen. Aber sind Hunde farbenblind? Zeit, diesem Irrglauben auf den Grund zu gehen!
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Mein Hund erkennt manche Farben nicht
„Holberg, bring den grünen Ball!“ – bei solchen Kommandos schaut mein Dackel mich immer schuldbewusst an. Offenbar ist es ihm unangenehm, dass er keine Ahnung hat, was ich von ihm möchte.
Früher dachte ich wie viele andere Halter, dass Hunde nur Schwarz-Weiß sehen können. Heute weiß ich: Das stimmt so nicht! Aber meinem Vierbeiner fällt es trotzdem schwer, bestimmte Farbtöne voneinander zu unterscheiden.
Was bedeutet Farbenblindheit?
Farbenblindheit bedeutet, dass jemand Farben nicht normal wahrnehmen kann. Das bedeutet, dass die Welt nur in Schwarz-, Weiß- und Grautönen erscheint. Davon zu Unterscheiden ist eine Farbenfehlsichtigkeit wie die Rot-Grün-Sehschwäche.
Damit wir Farben unterscheiden können, müssen in unseren Augen drei verschiedene Arten lichtempfindlicher Sinneszellen, sogenannte Farbsehzellen oder Zapfen, vorhanden sein. Fehlen eine oder mehrere dieser Zapfenarten, kommt es zur Farbenfehlsichtigkeit oder -blindheit
Welche Farben können Hunde sehen?
Der Mensch hat normalerweise alle drei Zapfenarten. Hunde jedoch nur zwei. Das bedeutet, dass sie zwar nicht das gleiche Farbspektrum sehen, aber auch nicht farbenblind sind.
Konkret können Hunde Blau- und Gelbtöne wahrnehmen – genau wie Grau, Schwarz und Weiß. Sie können aber nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden. Rottöne erscheinen ihnen eher braun, Grüntöne grau.
„Komm Holberg, hol den roten Ball!“ In Holbergs Kopf müssen meine Worte ungefähr so klingen: „Komm Bello, hol den grau-braunen Ball!“ Kein Wunder, dass mein Liebling schulterzuckend vor der Farbauswahl steht.
Hast du dich schonmal gefragt, woher man weiß, dass Hunde farbenblind sind? Die Antwort liegt in Untersuchungen der Zapfen in den Augen der Vierbeiner. So konnte man biologisch die Farbfehlsichtigkeit der Hunde beweisen.
So sehen Hunde die Welt
Um zu verstehen, wie Hunde die Welt wahrnehmen, muss man ihre Verteilung der Sehzellen verstehen. Denn Zapfen sind nur für das Farbsehen zuständig. Die zweite Hauptart der Sehzellen, die Stäbchen, nehmen Schwarz-Weiß-Kontraste und Helligkeiten wahr.
Hunde haben sehr viele Stäbchen, aber wenige Zapfen. Daher ist ihr Schwarz-Weiß-Sehen und ihre Nachtsicht hervorragend ausgeprägt – dafür ist das Farbensehen eingeschränkt.
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Im Gegensatz zu Holberg könnte ich nachts den schwarzen Ball im Gras nie finden– aber meinem Hund leuchtet der rote Ball bei Tageslicht eben auch nicht ein. So unterscheidet sich der Hundeblick vom Menschenblick:
Mensch
- ausgezeichnete Sehschärfe
- alle Farben werden gesehen
- schlechteres Schwarz-Weiß-Sehen
- schlechte Nachtsicht
Hund
- schwächere Sehschärfe
- eingeschränktes Farbensehen
- hervorragendes Schwarz-Weiß-Sehen
- exzellente Nachtsicht
Andere Sinne bei Hunden mehr ausgeprägt
Mein Dackel Holberg läuft durch den Vorgarten und beobachtet die Nachbarskatze, die gemächlich über die Straße spaziert. Plötzlich bleibt Holberg wie angewurzelt stehen, die Schnauze gespitzt, die Ohren angelegt. Was ist da los?
Ich blicke nach draußen, kann aber beim besten Willen nichts Auffälliges entdecken. Plötzlich wird mir klar: Holberg hat etwas bemerkt, das ich mit meinem Menschenblick nie sehen könnte! Sein Gehör und Geruchssinn haben Dinge wahrgenommen, die meilenweit über meine Fähigkeiten hinausgehen.
Um die Welt aus Hundesicht zu verstehen, müssen wir uns von unserer optischen Fixierung lösen. Hunde sehen zwar nicht so scharf und farbig wie wir, dafür nehmen sie unsere Umwelt auf andere Weise viel intensiver wahr:
- Hundeohren können Töne im Ultraschallbereich hören, die für Menschen nicht wahrnehmbar sind.
- Ihr Geruchssinn ist etwa 10.000-mal feiner als unserer. Hunde können sogar Emotionen am Körpergeruch ablesen.
- Durch ein spezielles Organ am Gaumen, das Jacobson-Organ, können Geschmacksnuancen extrem detailliert wahrgenommen werden.
- Die Tasthaare an Kopf, Körper und Pfoten übermitteln Informationen über Luftzüge, Temperatur und Beschaffenheit von Oberflächen.
Kurzum: Hunde erleben die Welt wie einen 3D-Film mit Surround-Sound und chemischen Sensor-Effekten. Was sie sehen ist dabei fast nebensächlich.
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Sind Hunde farbenblind? Nicht komplett!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Hunde sehen die Welt anders als wir, aber nicht schlechter. Ihr Farbensehen ist zwar eingeschränkt, dafür sind andere Sinne extrem gut entwickelt.
Als Halter können wir also unsere Optik bewundern aber die facettenreiche Wahrnehmung unserer Vierbeiner mindestens genauso! Wenn Holberg also das nächste Mal meinen grünen Ball ignoriert, werde ich ihm deswegen keinen Vorwurf mehr machen. Er genießt die Welt auf seine Weise – und dafür liebe ich ihn!